14. April 2009

029 Hausschlachtung 1946


...... und noch ne Geschichte aus´m Dorf...
aus der Zeit, als Schwarzschlachten richtig schlimm war, aber manchen hungriger Bauch füllte.......




Hausschlachtung 1946




Mein Onkel Anton lernte meine Tant´ Trautchen in den späten zwanzigern in der Gegend des Nürburgrings kennen. Genauer - in Senscheid.
Ich bin später oft mit meinen Eltern zu dem Bruder meiner Tante, die in den Fünfzigern verstarb in die Eifel gefahren.
Onkel Anton war der Bruder meiner Mutter und beide hatte es aus Heimersheim an der Ahr, nach Lannesdorf verschlagen.
Meine Mutter der Liebe -meinen Onkel der Arbeit wegen.
Die Verbindung meines Onkels bzw. meiner Tante in die "hohe Eifel" war in der "schlechten Zeit" nach dem 2. Weltkrieg ein kleiner Segen für meine Familie und die Nachbarschaft.
Butter und selbsgemachter Käse, die in zweitägigen "Radtouren" in Senscheid organisiert wurden, konnten hier im Dorf an Leute aus Bonn, die regelmäßig zum "Hamstern" kamen, gegen Kaffee oder Zigaretten getauscht werden.
Es war dieses - für alle Seiten Vorteil bringende - Geben und Nehmen....
Nun gab es aber 46 eine Transaktion, die auf der einen Seite für ziemlich Spannung und Aufregung und ne Riesenschweinerei.. auf der anderen Seite aber für gefüllte Verdauungstrakte und Kaffeedosen sorgen sollte.
Mein Vater erzählte mir.... ( ich sollte durch die "Gnade der späten Geburt- ein dreiviertel Jahr später - nicht involviert sein..)


"Do benn ich met dingen Ohm Anton ze Foos no Senscheid jejange.Mir moten noch op-passe weil et överall Militärstreife von der Engländer un Franzuse jov......"

Anmerkung meinerseits: Um es auch den zugereisten Lannesdorfern deutlich rüber zu bringen, lasse ich meinen Vater die Story in Hochdeutsch weitererzählen....

"Wir waren gut anderthalb Tage unterwegs. Kamen abends in Senscheid an und dein Onkel war sich mit seinem Schwager schnell einig.
Am anderen Morgen, es war noch dunkel sind wir drei in den Stall und haben "den Peter" rausgeholt.
Als ich den Ochsen sah, wurde es mir schon ein bisschen anders...
Hennes, der Schwager von deinem Onkel, beruhigte uns.
"Das ist ein gemütliches Tier. Da habt ihr keine Arbeit mit..."
Naja - sein Wort in Gottes Gehörgang. Wir waren es ja, die mit dem Vieh gut 60 Kilometer über Berg und Tal - ohne dabei besonders aufzufallen - vor uns hatten.
Und der Schwager von deinem Onkel hatte nicht zu viel versprochen. Peter war wirklich lammfromm.
Er hätte sicher anders reagiert wenn er gewusst hätte, was ihm noch bevorstand....
Für den Rückweg brauchten wir wir nun vier Tage, weil wir die Dörfer umgehen mussten. Genauso war es uns auch nicht möglich die Strassen zu nutzen, wenn wir nicht Gefahr laufen wollten einer PM-Streife in die Hände zu fallen.
Am Abend des vierten Tags, lag vor uns Pössem...
Hier verlief die Grenze, zwischen der französischen und englischen Besatzungszone.
Wir warteten bis es richtig dunkel war und gingen dann quer über die Felder (auf den Strassen fuhren laufend Jeeps) über Berkum, Gimmersdorf durch den Lannesdorfer Wald, runter bis hier auf die Strasse.
Peter hatten wir einen Sack über den Kopf gezogen und das Maul mit einem Kälberstrick zugebunden.
Es wäre nicht so gut gewesen, hätte er fühmorgens um drei, die ganze Strasse geweckt...
Dein Bruder, damals sieben Jahre alt, wurde zum Onkel Jakob geschickt. Der sollte in dieser Nacht, neben Peter die zweitwichtigste Person sein."

Ich muss mich noch mal melden. Zum besseren Verständnis... Mein Onkel Jakob war Heizer auf den Köln Düsseldorfern. Ergo - er hatte unheimliche Kraft. Der trug einen Zentner Kartoffel am ausgestreckten Arm die Kellertreppe runter, nur um sich die Jacke nicht schmutzig zu machen.

"Köbes wusste Bescheid und war fünf Minuten später hier.
"Unn jetzt...?" Köbes, Anton, deine Mutter und ich standen mit Peter in dem engen Hof und waren ratlos.
"Wir können den hier drausen nicht schlachten. Das gibt soviel Radau, dann haben wir nach ein paar Minuten die ganze Nachbarschaft und in zehn Minuten die Militärpolizei hier...."
"Dann machen wir´s eben drinnen!"
"Das könnt ihr nicht machen..." - meine Mutter hatte schon irgendwie ein Vorahnung, was auf sie zukommen würde.
"Was ist denn da los?" Clara von nebenan hatte schon was gehört.
Gottseidank trennte unser Hof eine zwei Meter hohe dichte Bretterwand, von dem ihren ab.
"Nix Clara - nix..."
Es war Eile geboten, wollte man nicht noch mehr Nachbarn aufmerksam machen.
"Wir müssen rein"
Dein Onkel schob schon von hinten Peter in Richtung Küchentür.
Das Tier, dem das Ganze -obwohl man ihm nun den Sack vom Kopfb genommen hatte - doch etwas spanisch vorkommen musste, wurde langsam unruhig, weil er- wegen zu grossem Gehörn und zu enger Tür- nicht in die Küche kam.
Jetzt kam der erste grosse Auftritt von deinem Onkel Köbes....
Kurzerhand packte er mit beiden Händen die Hörner des Ochsen und bog ihm den Kopf quer und so kam Peter doch noch in den vorletzten Genuss, unsere Küche zu betreten.
Mittlerweile hatten Ohm Anton und deine Mutter schon eine Zeltplane im Mittelzimmer (.. hier sollte der letzte ultimative Akt vollzogen werden..) ausgebreitet....."

Stop - jetzt muss ich mich noch mal melden.
Ich sitze gerade in diesem Mittelzimmer und tippe die Geschichte in den Computer...
Beim besten Willen - ich kann mir das heute, gut 63 Jahre danach, nicht vorstellen....

"Jetzt musste alles schnell gehen. Köbes hatte den Ochsen mit quergedrehtem Kopf durch die Küche und auch noch durch die schmale Tür zum Mittelzimmer gezogen.
Das ganze musste ihn doch angestrengt haben. Als Peter nun in seiner ganzen stattlichen Grösse in dem kleinen Zimmer stand, ließ Köbes den Kopf des Ochsen los. Der war nun sichtlich sauer und tänzelte nun wie ein Stier in einer spanischen Arena in dem kleinen Zimmer.
"Festhalten !"
Köbes hatte nun entgültig die Regie über des Dramas letzten Akt übernommen.
Ich hing nun an dem Strick, den das Vieh um den Hals hatte und Anton am Ende und zog in die andere Richtung am Schwanz des Ochsen.
War es nun die Gunst des Augenblicks.. oder doch göttliche Fügung.
"Pass op...!!!"
Köbes hatte mit dem bereitliegenden Zuschläger, dem schweren Eisenhammer, der in der Quarzitgrube zum Zerschlagen der grossen Blöcke genutzt wurde, ausgeholt und den Ochsen genau auf der Blesse getroffen.
Lautlos ging das Tier in die Knie, ließ noch einen gewaltigen Fladen los und hauchte sein Leben aus...
Irgendwie hat mich die Sache doch etwas mit genommen. Ich hatte mich schon so in den letzten Tagen an das Tier gewöhnt.
Naja - der Rest ist schnell erzählt.
Im Mittelzimmer wurde Peter dann - ach hatte ich dir gesagt, dass dein Ohm Anton zwei Jahre Metzger gelernt hatte bevor er Schachtmeister im Tiefbau wurde... - naja, jedenfalls fachmännisch zerlegt.
Clara und auch Josef und Trina bekamen einen guten Braten ab...Der Rest wurde oben, am Ginsterberg vergraben und später - Stück für Stück rausgeholt.....".
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2 Kommentare:

GÜWI hat gesagt…

Einfach köstlich solche Geschichten.
Karl !!!
Mit sowas kann man Geld verdienen.
Liest sich besser als ein Harry Potter.

Ute hat gesagt…

Herrlich Karl, man kann es sich so richtig vorstellen, toll - danke